Der nachstehende Text besteht aus Auszügen aus der Niederschrift eines Gesprächs von Michał Bojanowski mit Jurij, Olena, Nataliia und Yeva.


ganzjährig Februar 

Ich weiß nicht, welcher Tag heute ist… Der dreihundertsechzigste Tag im Februar? Bei uns ist es noch Februar. Ich bin jetzt seit fast einem Jahr in Kreisau. Jeder, der hier gelebt hat, hat ein ähnliches Gefühl, sogar die Kinder – es gab keinen Frühling, Sommer oder Herbst. Der Februar dauert an.


Dankbarkeit

Jeder von uns könnte über seine Dramen sprechen, aber an diesem Jahrestag möchten wir Ihnen für alles danken, was wir von Ihnen bekommen. Wir leben in Kreisau, wir fühlen uns hier sehr wohl. Wir wissen zu schätzen, was die Stiftung für uns tut – denn sie tut zu viel! Wir haben alles, was wir uns vorstellen können. Aber wir träumen davon, zu uns nach Hause zu fahren. Und dass dort nichts Schlimmes mehr passiert.


Denkmal in Kreisau

Wenn das alles vorbei ist, denke ich, wird es in Kreisau ein weiteres Denkmal geben. Während des Zweiten Weltkriegs wurde hier der Anti-Hitler-Untergrund gegründet. Jetzt wurde eine Zwischenstation für Ukrainer*innen geschaffen, die vor dem Krieg fliehen. Ich hoffe, dass die Erinnerung an die Hilfe, die uns hier zuteil wurde, nicht verloren geht.   


Das erste Mal hinter dem Steuer

Der Krieg hat uns an verschiedenen Orten getroffen. Mich hat er zu Hause aufgesucht. Zwar besaß ich einen Führerschein, war aber noch nie richtig Auto gefahren. Als ich mich entschlossen habe zu fliehen, nahm ich meine Tochter sowie eine Freundin mit Kind und fuhr ganz allein mehr als zweitausend Kilometer, bis ich in Kreisau ankam.


Aber hier in Kreisau gibt es viele Menschen mit Trauma, nicht nur mich. Nataliia zum Beispiel lebte im Norden des Landkreises Kyjiw, direkt am Fluss. Dieser Fluss hielt die Besatzer aus Russland auf, sie kamen nicht rüber auf die andere Uferseite. Das Haus von Natalia war aber auf der schlechteren Seite – dort drangen die Russen ein. Zusammen mit ihren drei Kindern gelang ihr die Flucht. 


Zwischen Himmel und Erde

Wir leben hier wie zwischen Himmel und Erde... Kann man das so auf Polnisch sagen? Wir leben in der Schwebe. Wir wissen nicht, was morgen passiert. Wir erlauben uns nicht zu glauben, dass der Krieg mehrere Jahre dauern könnte. Wir wachen mit der Überzeugung auf, dass wir morgen nach Hause zurückkehren werden. Es gibt noch einen Moment, einen weiteren Moment des Wartens. Und so geht es jeden Tag. Manchmal denke ich, es ist doch nicht mehr viel übrig. Was werden wir jetzt tun? Wir haben keine Arbeit, zu der wir zurückkehren könnten. Wir werden wieder von vorne anfangen. Es wird schon klappen. Nur unsere Häuser sind nicht zerstört worden. Sie haben keinen Strom, keine Heizung und kein Wasser. Es ist vorläufig unmöglich, dort zu leben.


Putin und Hitler

Putin hat sich Mein Kampf zu Herzen genommen. Er handelt wie Hitler während des Zweiten Weltkriegs. Er ermordet die Unschuldigen und deportiert unsere Kinder tief nach Russland. Deshalb war es uns so wichtig, so viele Kinder wie möglich in den Westen zu bringen. So können die meisten ihre Schulbildung wenigstens an polnischen Schulen fortsetzen, manche lernen auch online. 


Morgen vielleicht?

Wir vermissen, wir sehnen uns nach der Vergangenheit. Die Kinder vermissen ihr Zuhause, ihre Väter, ihre Katzen, ihre Hunde, ihre Betten. Ihre Großmütter und Großväter, denn schließlich sind die alten Leute geblieben. Wir haben in der Ukraine gut gelebt. Schließlich sind wir nicht vor Armut, sondern vor dem Krieg geflohen. Leider müssen wir noch ein wenig länger warten. Vielleicht morgen?

Kreisau für die Ukraine

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