Mein Lernprozess. Nosce te ipsum
5.05.2020, Karolina Moroz

In allen Leitfäden zu Freiwilligenprogrammen wird als das wichtigste Ziel des Freiwilligendienstes der „learning process“ heraus gestellt. Dieser bezieht sich dabei auf die jungen Menschen, die sich entschließen, einen Freiwilligendienst zu leisten und um diesen Begriff herum sind die Aktivitäten der Freiwilligen und mit den Freiwilligen konzipiert. Dieser Learning process ist es auch, der während des Projekts und an seinem Ende aufmerksam evaluiert wird. Viel weniger Raum wird der gigantischen Dimension dieses Prozesses eingeräumt, der nicht nur die Freiwilligen umfasst, sondern alle, die zu irgendeinem Zeitpunkt mit ihnen oder von ihnen initiierten Aktivitäten in Kontakt kamen.

Die Koordinierung von Freiwilligenaktivitäten, in meinem Fall von Projekten des Europäischen Freiwilligendienstes, aktuell des Europäischen Solidaritätskorps, ist ein ununterbrochener Prozess des Lernens. Die Koordinierung scheint auf den ersten Blick eine Frage des Personalmanagements mit einer Prise Verwaltungstätigkeit zu sein, doch wenn ich einen genaueren Blick auf diese Tätigkeiten werfe, stellt sie vor allem eine Herausforderung dar die darin besteht, neuen Menschen zu begegnen und sie kennen zu lernen, sowie sich dabei mit sich selbst auseinander zu setzen.

Im Laufe einiger Jahre der Arbeit mit Freiwilligen hatte ich Gelegenheit verschiedene Rollen einzunehmen, nicht nur solche, die sich aus den Strukturen des Freiwilligenprojekts ergaben (Mentorin, Tutorin, Koordinatorin) sondern auch solche, die sich aus den Bedürfnissen und Besonderheiten des jeweiligen Augenblicks ergaben. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es sich lohnt, sich bei der Arbeit mit und für Freiwillige für eine, konkrete Rolle zu entscheiden: nämlich der, man selbst zu sein, was erstaunliche Effekte bewirkt, Vertrauen wachsen lässt und hilft, menschliche Sensibilität wahrzunehmen. Neuen Menschen zu begegnen und mit ihnen aktiv zu werden, das bedeutet nicht nur gemeinsam kreativ zu werden, Zeit zu verbringen und Erfahrungen zu machen. Es bedeutet vor allem eine unablässige Auseinandersetzung mit den eigenen Emotionen, der konstruktive Umgang mit dem, was ich fühle. Aufmerksam und offen sein, das ist einer der Pfeiler meines Lernprozesses.

Ist es ein einfacher Prozess? Nein. Neben allen erwünschten Effekten beinhaltet er auch das Machen von Fehlen, Frustration, das Wiederholen von etwas, was man nicht wiederholen möchte, das Entdecken von eigenen Schwächen, besseres Kennenlernen von Gefühlen der Wut, Verlegenheit und Sorge. Das Wahrnehmen all der schwierigen Seiten dieses Prozesses helfen mir dabei mir besser vorstellen zu können, dass die Freiwilligen, mit denen ich arbeite, manchmal ähnliches fühlen können.

Den Freiwilligen und der Arbeit mit ihnen verdanke ich vor allem die Möglichkeit, mich selber besser kennen zu lernen, in meinem Handeln und im Kontakt mit anderen, sowie einen besseren Umgang mit meinen eigenen Gefühlen. Der Prozess des (Kennen-)Lernens neuer Menschen ermöglicht es mir vor allem, mich selber kennen zu lernen.

 

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